Man sagt, Geschichte wiederhole sich nicht – sie reime sich nur. Doch in diesen Tagen hallt der Klang der Vergangenheit erschreckend laut durch die Gegenwart. Die Trommeln des Krieges schlagen wieder. Nicht mehr dumpf im Hintergrund, sondern mit einer schrillen Klarheit, die Angst macht.
Der Ukraine-Krieg, einst regionaler Schock, ist längst zum globalen Gewitter herangewachsen. Ein Konflikt, der nicht nur Städte verwüstet, sondern Prinzipien erschüttert, auf denen unsere Weltordnung ruht.
Und nun? Ein weiterer Schritt: Deutschland hebt die Begrenzung für die Nutzung gelieferter Waffen auf. Die Ukraine darf damit auch russisches Territorium angreifen. Ein Tabubruch – gewollt, bewusst und mit offenen Augen.
Der Marsch über die rote Linie
In Moskau knirscht es. Worte wie „rote Linie“ waren oft bloße rhetorische Konstrukte. Doch jetzt, so scheint es, sieht der Kreml den Rubikon überschritten. Die Reaktion ist scharf: Russland ruft den UN-Sicherheitsrat an, spricht von einem „Angriff auf den Weltfrieden“. Und man muss kein Sympathisant autoritärer Regime sein, um zu verstehen, dass der Boden brüchig geworden ist.
Was bedeutet diese Entwicklung? Sind wir noch Zuschauer, oder längst Teil der Inszenierung? Beobachter oder Akteure? In den Köpfen mancher Generäle und Strategen scheint sich das Bild eines „kontrollierten Krieges“ verfestigt zu haben – als könne man ihn managen, einhegen, dosieren. Doch die Geschichte kennt solche Illusionen zur Genüge. Und sie hat sie immer zerstört.
Die deutsche Zerrissenheit
Deutschland steht wieder im Brennpunkt. Es ist ein Land, das zwischen Erinnerung und Verantwortung pendelt. Zwischen der Schuld von gestern und dem Bündnis von heute. Zwischen der Mahnung „Nie wieder“ und dem Ruf nach Entschlossenheit. Doch wer glaubt, man könne Frieden durch weitere Waffen erzwingen, täuscht sich möglicherweise ebenso wie jene, die glauben, Russland werde aus freiwilliger Einsicht innehalten.
Der frühere Generalinspekteur Harald Kujat sprach jüngst von einem „letzten oder vorletzten Schritt“ – hin zur offenen Konfrontation zwischen NATO und Russland. Es sind ernste Worte von einem Mann, der den Klang von Kriegen kennt. Und sie verhallen nicht ungehört.
Die Stille der Diplomatie
Während die Raketen sprechen, ist es um die Diplomatie still geworden. Die Kanzleien schweigen, die Konferenzen verstummen, Vermittlungsversuche versanden. Wo sind sie, die Stimmen der Mäßigung? Wo sind die Visionäre, die nicht in Frontlinien denken, sondern in Friedenspfaden?
Der UN-Generalsekretär ruft zur Zurückhaltung auf. China mahnt. Brasilien warnt. Und Europa? Tut das, was es oft tut: Es handelt entschlossen – aber in welche Richtung?
Ein Dritter Akt?
Die Frage, die leise mitschwingt, wird zunehmend laut gestellt: Stehen wir am Vorabend eines Dritten Weltkriegs? Noch ist sie hypothetisch. Aber sie ist nicht mehr unvorstellbar. Es sind keine Diplomaten mehr, die die Szenarien zeichnen – sondern Militäranalysten, Sicherheitsberater, Verteidigungsminister.
Und das Publikum? Hört zu, bangt, diskutiert – und wird allzu oft abgelenkt. Vom Alltag. Vom Fußball. Von der Börse. Doch die Geschichte ist nicht abwesend. Sie schreibt sich genau jetzt.
Ein letzter Appell
Noch ist es nicht zu spät. Noch gibt es eine Tür, die nicht verschlossen ist. Frieden ist möglich. Aber er wird nicht ohne Mut kommen – nicht den Mut zur Waffe, sondern den Mut zum Dialog. Zur Einsicht. Zum Verzicht auf den letzten, fatalen Schritt.
Wer heute überlegt handelt, wird morgen keine Trümmer zählen müssen.