Jedes Jahr, wenn das Opferfest (Kurban Bayramı) naht, steigt in den Herzen der türkischen und muslimischen Gemeinschaften in Europa eine Welle der Freude – und der Verantwortung. Dieses Fest ist nicht nur ein religiöses Ritual, sondern auch eine Gelegenheit, den Unterdrückten auf der Welt die Hand zu reichen, den Weltfrieden zu stärken und die Würde der Menschheit zu verteidigen. Das Opferfest 2025 wird in diesem Sinne in einer noch tiefer empfundenen, schwereren und bedeutungsvolleren Atmosphäre begangen.
Im Schatten von Gaza – Auf der Suche nach Hoffnung
Das diesjährige Opferfest steht im Zeichen anhaltender Tragödien in Gaza: hungernde Kinder, Zivilisten, die im Krieg ihre Familien verloren haben, und ein unter Embargo leidendes Volk schreien nach Hilfe. Gleichzeitig erschüttern anhaltende Kriege weltweit und der Aufstieg rechtsextremer Bewegungen in Europa das Gewissen vieler. Die muslimischen Gemeinschaften reagieren darauf mit größerer Sensibilität und einem entschlosseneren Auftreten.
Türken und Muslime in Europa sehen es in diesem Jahr nicht nur als Pflicht, ihre Opfergabe zu erbringen, sondern auch, als moralische Stimme des globalen Gewissens zu wirken. In Ländern wie Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Österreich setzen sich Muslime dafür ein, ihre Opfertiere über Organisationen wie Hasene, DITIB oder andere NGOs an Bedürftige weltweit zu spenden – von Afrika bis Asien, von Gaza bis Syrien.
Kurban: Ein Identitätskampf in Europa
Neben diesem spirituellen Einsatz wird das Opferfest für viele Muslime in Europa jedoch auch zu einem rechtlichen und kulturellen Kampf um ihre religiöse Identität. In Ländern wie Deutschland, Großbritannien und Teilen Skandinaviens stellen gesetzliche Regelungen zur Tierschlachtung erhebliche Hürden dar. In manchen Ländern ist das betäubungslose Schlachten nach islamischem Ritus verboten oder nur mit Ausnahmegenehmigungen gestattet. Dies führt zu rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Glaubensfreiheit und Tierschutzgesetzen.
Moscheevereine und islamische Organisationen suchen sowohl durch Aufklärung als auch durch Dialog mit Behörden nach Lösungen. Institutionen wie DITIB oder IGMG arbeiten mit zugelassenen Schlachthöfen zusammen, um religiös korrekte und gesetzeskonforme Opferungen zu gewährleisten.
Spenden lokal oder global?
Die Entscheidungen der Muslime in Europa über ihre Opfergaben folgen zwei Hauptwegen: Einige bevorzugen es, ihr Opfertier vor Ort nach halal-Vorgaben schlachten und verteilen zu lassen. Doch ein großer Teil spendet im Rahmen einer Vollmacht (Vekalet) ihre Tiere an Bedürftige in der Türkei, Afrika, Südasien oder Krisenregionen wie Gaza. Der Wunsch, besonders die notleidenden Menschen in Gaza zu unterstützen, ist dieses Jahr besonders ausgeprägt. Durch innovative Methoden wie Konservendosen oder gefrorenes Fleisch wird versucht, selbst blockierte Regionen zu erreichen.
Diese Wahl ist nicht nur von religiösem Pflichtgefühl geprägt, sondern auch von sozialem Verantwortungsbewusstsein. Die lokal verteilten Opferfleischspenden beschränken sich oft nicht auf muslimische Haushalte – auch bedürftige nichtmuslimische Mitbürger werden einbezogen, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert und den Geist des Teilens und der Solidarität unterstreicht.
Gemeinsam opfern, gemeinsam hoffen
Auch in diesem Jahr organisieren Moscheevereine nicht nur die Opferzeremonien, sondern veranstalten Kinderfeste, gemeinsame Frühstücke mit Nachbarn und Informationsveranstaltungen für die europäische Öffentlichkeit. Wie in den Slogans von Hasene oder DITIB betont wird: „Wir teilen nicht nur Fleisch, wir teilen Hoffnung.“
Diese Aktivitäten helfen nicht nur, religiöse Pflichten zu erfüllen, sondern auch, zur Gesellschaft beizutragen. Das Opferfest ist einerseits eine Möglichkeit, sich Allah zu nähern – andererseits ein Anlass, sich dem Mitmenschen zu öffnen und das Miteinander in Vielfalt zu stärken.
Opfer bedeutet nicht nur schlachten, sondern teilen
Das Opferfest 2025 ist für die türkischen und muslimischen Gemeinschaften in Europa eine Art Prüfung: Ein hungerndes Kind in Gaza, ein Vater in Berlin, der eine Genehmigung zum rituellen Schlachten sucht… Ein Opfertier, das nach Afrika gespendet wird – ein anderes, das in Brüssel mit dem nicht-muslimischen Nachbarn geteilt wird…
All das zeigt: Kurban ist mehr als ein religiöses Ritual. Es ist eine Haltung, ein Wert und eine Botschaft. Auch in diesem Jahr werden nicht die Hände, die schlachten, im Mittelpunkt stehen – sondern die Herzen, die teilen. Und diese Herzen werden die Hoffnung auf Frieden, Brüderlichkeit und Menschlichkeit lebendig halten.
In diesem Sinne gratuliere ich allen Gläubigen herzlich zum Opferfest und bete dafür, dass es besonders für Gaza und die gesamte Menschheit zur Erlösung beiträgt.